Stellungnahme des Bundesverbandes der Honorarärzte e.V.
zum Positionspapier der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
Der Bundesverband der Honorarärzte e.V. (BV-H e.V.) hat sich im Jahr 2008 mit nur dreißig Ärztinnen und Ärzten in Berlin gegründet. Während im Gründungsjahr das Phänomen Honorarärzte weitestgehend unbekannt war und auch in den Selbstverwaltungsgremien der Deutschen Ärzteschaft noch kaum wahrgenommen wurde, haben sich nunmehr die Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer am 26.5.2011 in Berlin vorgestellten, ausführlichen Stellungnahme zum Thema positioniert.
In vielen anderen Ländern ist eine honorarärztliche Tätigkeit ein selbstverständliches Element der medizinischen Versorgungsstruktur. Hierzulande ist der Honorararzt dagegen ein Novum. Geschuldet der rasanten Zunahme der Zahl von Ärzten, die diese Tätigkeitsform in der Zwischenzeit aus den unterschiedlichsten Motiven heraus ausüben, und geschuldet einer kontrovers geführten Diskussion zu den unterschiedlichen Aspekten der Entwicklung in Deutschland - innerhalb der deutschen Ärzteschaft selbst und unter Berufs- und Fachverbänden, Juristen, sowie den Medien und der Öffentlichkeit - ist die Positionsbestimmung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung ein notwendiger und richtiger Schritt. All das weißt darauf hin, dass die Tätigkeitsform des Honorararztes auch hierzulande Einzug gefunden hat und sich neben den klassischen Formen ärztlicher Tätigkeit etabliert.
Work in Progress
Als "work in progress" wird das Positionspapier von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung eingeleitet und charakterisiert. Damit wird die honorarärztliche Tätigkeit als eine dynamische und im Fluss befindliche Entwicklung gekennzeichnet, deren abschließende Beurteilung und Einordnung weiterer systematisch erhobener Informationen bedarf, und die in den nächsten Jahren kritisch begleitet werden soll.
Aus der von uns initiierten Befragung stammende Antworten von 887 Honorarärzten aus dem Jahr 2009 und 2010 [1] sowie Ergebnisse von weiteren Umfragen, die der BDC (2010) [2] und der BDA (2009, 2010) [3] durchführten, bilden die aktuelle Datenbasis.
- [1] Teske A., Schäfer N. , Ollenschläger G.: Honorarärzte in Deutschland – Demographie, Rahmenbedingungen und Motivation –
- Erste Ergebnisse der Honorararztstudie, Z. Evid. Fortbild. Qual. Gesundh.wesen (ZEFQ) 104 (2010) 426–430.
- [2] Mischkowsky T., Ansorg J.: Status der honorarärztlichen Tätigkeit in Deutschlands chirurgischen Abteilungen, Der Chirurg 08/2010.
- [3] Umfrage zur Arbeitsmarktsituation, Berufsverband Deutscher Anästhesisten, 2009.
Wie BÄK und KBV sieht auch der Bundesverband der Honorarärzte e.V. die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Erhebung und Analyse weiterer Daten rund um die dynamische Entwicklung des Themas. Insbesondere fehlen bis heute fundierte Erkenntnisse zu den Erfahrungen aus dem Bereich der Auftraggeber von Honorarärzten, Kliniken und Gesundheitseinrichtungen der Republik. Obwohl 65% der Krankenhäuser mit Honorarärzten arbeiten, wird deren Beschäftigung vielfach verneint und eine öffentliche Positionierung seitens der Kliniken vermieden. Motiv mögen sowohl ein Imageproblem als auch juristische Unsicherheiten sein, insbesondere im Hinblick auf den rechtlichen Status von Honorarärzten. Der BV-H e.V. wird im Rahmen seines Symposiums vom 9. bis 11. September in Potsdam weitere Impulse für die Forschung in diesem Bereich geben.
„Honorarärzte sind Fachärztinnen und Fachärzte, die in medizinischen Einrichtungen zeitlich befristet freiberuflich auf Honorarbasis tätig sind“
Hinsichtlich dieser von der Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung gegebenen Begriffsbestimmung und berufspolitischen Einordnung von Honorarärzten - auch im Hinblick auf die notwendigen Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, den Qualifikationen und den medico-kollegialen Aspekten honorarärztlicher Tätigkeit - schließt sich der BV-H e.V. den im Positionspapier getroffenen Aussagen an. Insbesondere hinsichtlich der rechtlichen Aspekte in Bezug auf den arbeits- und sozialrechtlichen Status von Honorarärzten sehen auch wir Probleme.
Empfehlungen des BV-H e.V.
Seit 2008 empfehlen wir daher eine honorarärztliche Tätigkeit nur dann, wenn die Ärzte über eine langjährige Erfahrung in ihrem Fachgebiet verfügen - Der selbständige Honorararzt verfügt somit auch im Verständnis des BV-H e.V. über die Facharztqualifikation - vollständig unabhängig von Weisungen agieren können, eine eigene und ausreichende Berufshaftpflichtversicherung sowie weitere unternehmertypische Versicherungen bestehen, keinerlei Verpflichtungen zur Übernahme von Diensten festgeschrieben sind und der Honorararzt eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber vorweisen kann. Der Honorararzt handelt freiberuflich und völlig eigenständig und ist in seinem Handeln nur dem Stand der medizinischen Wissenschaft verpflichtet. Dies steht nicht in Widerspruch zu einem kollegialen Miteinander und kooperativem Verhalten. Es bedeutet aber eine deutliche Abgrenzung gegenüber der Eingliederung in die Organisationsstruktur des Auftraggebers und zum Status als Arbeitnehmer.
Einbußen bei der Altersrente
Honorarärzte sind häufig in verschiedenen Ärztekammerbezirken tätig. Mit dem am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Vertragsarztsrechtsänderungsgesetz wurde für Vertragsärzte die Grundlage für den Betrieb von Zweigpraxen und der zeitweisen Tätigkeit in stationären Einrichtungen neben der eigenen Praxistätigkeit geschaffen. Der Arbeitsmarkt erfordert eine zunehmende Mobilität des Arztes, so dass auch vertragsärztlich tätige und angestellte Mediziner ihren Wohn- und Tätigkeitsort im Verlaufe des Berufslebens mehrfach wechseln. Das derzeitige, durch die Heilberufsgesetze der Länder und Meldeordnungen der Ärztekammern festgelegte Meldeverfahren, ist nicht mehr zeitgemäß und entspricht deshalb nicht mehr den veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen einer mobilen Gesellschaft. Insbesondere kann der Wechsel von einem Kammerbezirk in einen anderen und der damit verbundene Wechsel der Mitgliedschaft des zugehörigen Ärzteversorgungswerks zu erheblichen finanziellen Einbußen bei der Altersrente führen.
Verantwortlich dafür ist das seit 2005 geänderte Überleitungsabkommen der Ärzteversorgungswerke, das den Verbleib von bisher gezahlten Beiträgen mit Vollendung des 45. Lebensjahres oder einer bereits mehr als 60 Monate bestehenden Mitgliedschaft in einem ärztlichen Versorgungswerk vorsieht. Dies ist nach Auffassung des BV-H e.V. nicht gerechtfertig und bestraft Ärzte die den Anforderungen einer modernen und flexiblen Gesellschaft entsprechen. Von dieser Regelung sind nicht nur Honorarärzte betroffen. Der BV-H e.V. sieht daher, im Interesse aller Ärzte, einen dringenden Handlungsbedarf für eine Vereinheitlichung und Koordination der Konditionen im Bezug auf Kammerzugehörigkeit und Ärzteversorgungswerke.
Damit die Berufsaufsicht sichergestellt ist, schlagen wir folgende Übergangsregelung vor: Der Honorararzt ist Mitglied der Ärztekammer und Ärzteversorgung an seinem Wohnort bzw. Haupttätigkeitsort. Bei Tätigkeit in verschiedenen Kammerbezirken erfolgt eine informelle Meldung des Honorararztes an die betreffenden Ärztekammern unter Nennung des Tätigkeitsortes und der Hauptmitgliedschaft des Honorararztes, die allerdings keine Mehrfachmitgliedschaft in Ärztekammer und Versorgungswerk nach sich zieht. Die Ärztekammern werden so in die Lage versetzt, jederzeit die Zugehörigkeit eines Honorararztes zu einer Hauptärztekammer nachzuvollziehen und ihren gesetzlichen Aufgaben zu entsprechen. Weitere Abstimmungs- und Koordinierungsmöglichkeiten sollten durch die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V. (ABV), Berlin, zeitnah geprüft und geschaffen werden.
Perspektiven aus der Sicht des BV-H e.V.
Immer wieder zeigen sich Situationen im Gesundheitswesen, die mit einem kurzzeitig erhöhten, manchmal auch massiven Personalbedarf einhergehen. Aktuell könnte die Zunahme von komplizierten Infektionen mit EHEC-Erregern durchaus zu einer derartigen Situation führen. Epidemien, Pandemien und Katastrophen jedweder Art bedürfen der Rekrutierung aller zur Verfügung stehenden Fachkräfte, auch im internationalen Kontext. Honorarärzte stellen letztendlich einen hoch qualifizierten Personal-Pool dar, der zum flexiblen und mobilen Einsatz geradezu prädestiniert ist! Auch anhand weniger dramatischer Situationen sollte es deutlich geworden sein, dass es grundsätzlich ein unschätzbarer Vorteil für ein Gesundheitswesen ist, wenn die Möglichkeit zur legalen Ausübung der honorarärztlichen Tätigkeit besteht.
Weiterhin ist die "wandernde" honorarärztliche Tätigkeit sicher kein Hindernis im Hinblick auf den Erwerb ärztlicher Qualifikation und praktischer Fähigkeiten. Im Gegensatz zum dauerhaft angestellten Arzt, erlebt der Honorararzt im Laufe seiner Tätigkeit ein viel größeres Spektrum seines Fachgebietes. Insofern ist es wünschenswert, dass im Rahmen honorarärztlicher Tätigkeit gesammelte Kenntnisse und Fertigkeiten prinzipiell auf die ärztliche Fort- und Weiterbildung anrechenbar sind, solange die Vorgaben der betreffenden Weiterbildungsordnungen eingehalten werden. Da ein Honorararzt generell Facharzt sein soll, gilt dies vor allem in Bezug auf Subspezialisierungen, Fachkunden und Zusatzbezeichnungen, sowie für die seltenen Fälle einer zweiten Facharztausbildung.
Zusammenfassung
Im Fazit zeigt das Positionspapier von Bundesärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur honorarärztlichen Tätigkeit den Stand des aktuellen Wissens und der bekannten Probleme zu diesem Thema auf.
Der Bundesverband der Honorarärzte e.V. begrüßt ausdrücklich dessen Herausgabe und schließt sich in nahezu allen Punkten der Einschätzung und den getroffenen Formulierungen der Arbeitsgruppe Honorarärzte bei der Bundesärztekammer an.
Wir sind weiterhin bereit und in höchstem Maße daran interessiert an der "work in progress" mitzuwirken. Die offenen Rechtsfragen sowie die unbefriedigende Situation hinsichtlich des Meldeverfahrens bei Ärztekammern und Ärzteversorgungen erfordern unserer Ansicht nach zeitnahe Gespräche mit den Spitzenverbänden des Gesundheitswesens, der Politik und den Rechtsexperten auf höchster Ebene. Die Versorgungsforschung sollte sich des Themas der honorarärztlichen Tätigkeit annehmen, um zukünftig eine fundierte Diskussion mit validen Daten zu ermöglichen.
Dr. Nicolai Schäfer - 1. Vorsitzender - 31.05.2011